„Vom Pferdehintern zur Norm"

(Bild: ISGATEC GmbH)

21.03.2022 „Vom Pferdehintern zur Norm"

von Thomas Stein (IMTS Interims Management Thomas Stein)

Vor Kurzem habe ich etwas gelesen, was hervorragend zu der immer wieder aufkommenden Diskussion zu Sinn oder Unsinn von Normen passt.

Der Autor war Hermann Scherer, ein Speaker und bekannter Trainer. Ich fand die Ausführungen so interessant, dass ich Sie an seinen Gedanken teilhaben lassen möchte: 4 Fuß, 8,5 Zoll – oder in das metrische System umgerechnet 1.435 mm – das ist die exakte Breite der Standard-Eisenbahnspur in großen Teilen von Nordamerika, Europa (87% innerhalb der EU) und China. Die Zahl beschreibt den Abstand zwischen den Schienenköpfen. Warum wurde und wird ausgerechnet dieser seltsame Wert sowohl in Europa als auch in Amerika für Schienen benutzt? Ein Blick in die Geschichte liefert eine interessante Erklärung: Englische Ingenieure, die zuvor die pferdebetriebene Wagenbahn gebaut hatten, entwarfen die ersten amerikanischen Eisenbahnstrecken und verwendeten schlicht die gleiche Spurweite. Da sich die Werkzeuge zur Herstellung der Schienen nicht geändert hatten, wurden später auch andere Schienenwege, wie z.B. Straßenbahnen, mit dieser Spurweite gebaut. Und auch heute noch wird dieses Maß im europäischen Schienenwegbau genutzt.

Das „Gestern“ dieser Norm geht aber noch viel weiter zurück, denn dieser spezielle Radabstand stammt tatsächlich von den Streitwagen der Römer. Sie waren es, die die ersten Fernstraßen für ihre Legionen – natürlich auch in England – anlegten. Angesichts der intensiven Nutzung formten die Räder der Streitwagen mit der Zeit Vertiefungen – man würde heute Spurrinnen sagen – auf den Straßen. Für die Lebensdauer eines Fahrzeugs war es daher hilfreich, sich an dieser Spurbreite, dem „Schienenabstand“, zu orientieren, wenn man z.B. Rad- oder Achsbruch vermeiden wollte – und schon war eine „Norm“ geboren. So kam es also dazu, dass diese, inzwischen weltweit verwendete Standard-Eisenbahnspur aus den ursprünglichen Spezifikationen für einen kaiserlichen römischen Kriegswagen abgeleitet wurde. Welche Rolle bei dieser damaligen Festlegung die Breite eines durchschnittlichen Pferdehinterns spielte, ist leicht abzuleiten.

Für den durchaus denkbaren Fall, dass Sie sich gelegentlich fragen: „Welcher A... hat sich diese Spezifikation, diese Prozedur oder diesen Prozess genau so ausgedacht?“, denken Sie an diese Geschichte – aus zwei Pferdehintern wurde die Norm zur Eisenbahnspurbreite. Jetzt könnte ich Ihnen auch noch erzählen, wie dieses Maß Einfluss auf die Gestaltung des Space-Shuttles hatte – aber das würde nun wirklich zu weit führen.

Thomas Stein, Inhaber, IMTS Interims Management
„Wenn Sie sich über Normen wundern, versuchen Sie es mal mit einem Blick in die Historie und Sie finden den ein oder anderen Ansatzpunkt, an dem es mit dem gesunden Menschenverstand nicht weit her war.“ Thomas Stein, Inhaber, IMTS Interims Management

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IMTS Interims Management Thomas Stein
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