Schäden erkennen und vermeiden

(Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

05.03.2021 Schäden erkennen und vermeiden

Werkstoffverwechslung – Rezepturveränderung

von Dipl.-Ing. Bernhard Richter (O-Ring Prüflabor Richter GmbH), Dipl.-Ing. (FH) Ulrich Blobner (O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Dichtungen werden aus den verschiedensten Gründen in der Praxis geschädigt. Neben dem Erkennen der Schadensursache werden dann mögliche Abhilfemaßnahmen wichtig – für die Instandhaltung, aber auch bereits bei der Erstausrüstung von Anlagen mit Dichtungen. 

Werkstoffverwechslungen oder Rezepturveränderungen sind eine Schadensursache, die wohl die meisten voneinander verschiedenen Schadensbilder verursachen können. So kann die Werkstoffverwechslung bei der Dichtungsmontage ein Unternehmen mitunter teuer zu stehen kommen – sei es durch Nacharbeit, Rückrufaktionen und/oder letztendlich durch eine Rufschädigung. Es gibt zwei Hauptfaktoren im Dichtungsbereich, welche eine Werkstoffverwechslung begünstigen: 

  1. Die Standardisierung von Dichtungsgrößen, d.h. es werden Dichtungen mit den exakt selben Abmessungen, aber aus unterschiedlichen Materialien und/oder Härten am gleichen Arbeitsplatz eingesetzt. 
  2. Die Farbe – die meisten technischen Elastomere sind schwarz, da Ruß als Füllstoff – und damit indirekt als Farbgeber – eine herausragende Bedeutung bei Gummiwerkstoffen hat. 

Die Ursache für signifikant geänderte Rezepturen ist häufig preisgetrieben und das Pro­blem liegt dabei meist an einem nicht kommunizierten Wechsel von Lieferanten bzw. Unterlieferanten, da der technische Handel hier nur selten Transparenz in der Lieferkette bietet.

Schadensbild und problematische Bereiche: Eine Schadensanalyse ist dann beendet, wenn die Ursache entdeckt wird, was bei Werkstoffverwechslungen meistens relativ schnell gelingt. Daher ist auch nur ein kleiner Anteil aller Werkstoffverwechslungen mikroskopisch dokumentiert. Die Bilder 1 bis 3 zeigen typische Fehlerbilder, wie übermäßige Quellung (Bild 1), Versprödung durch thermische Überbeanspruchung (Bild 2) und physikalische Überbeanspruchung (Bild 3).

Abgrenzung zu ähnlichen Schadensbildern: Da die Werkstoffverwechslung viele Gesichter hat – d.h., kein spezifisches Schadensbild erzeugt – ist auch eine Abgrenzung zu anderen Schadensursachen schwierig.

Präventionsmaßnahmen: Eine Werkstoffverwechslung kann theoretisch bereits während der Herstellung (Compound-Verwechslung) oder bei nachfolgenden Prozessschritten entstehen. Sie passiert aber am häufigsten beim Anwender, in der Lagerhaltung entlang der Wertschöpfungskette oder bei der Montage. Wichtige Präventionsmaßnahmen im Produktionsprozess sind klar geregelte und dokumentierte Abläufe. Am meisten hilft in der praktischen Anwendung die farbliche Unterscheidung von Dichtungen – entweder durch eine komplette Einfärbung des Compounds oder durch eine farbige Beschichtung. 

Eine eingefärbte Beschichtung (z.B. auf Basis von PTFE) kann noch zusätzlich die Gleiteigenschaften einer Dichtung verbessern. Eine kostengünstige und effektive Prävention gegen Verwechslung ist die nichtpermanente Markierung von Dichtungen mit Streifen oder Punkten. Auch eine Einzelverpackung, wie z.B. in der Luftfahrt oder bei FFKM-O-Ringen gängige Praxis – kann das Verwechslungsrisiko minimieren. Um zu verhindern, dass ein Lieferant ohne Mitteilung die Rezeptur bzw. die Bezugsquelle ändert, empfiehlt es sich, dies in Lieferverträgen abzusichern und auf die Anzeigepflicht bei Änderungen hinzuweisen.

Praxistipps (Prüfmöglichkeiten/Normempfehlungen): Funktionierende Wareneingangskontrollen – sei es intern oder durch einen externen Dienstleister – sind unabdingbar für die Aufrechterhaltung einer guten und konstanten Produktqualität. Als Minimalumfang ist neben der Prüfung der Maße, die Überprüfung der Dichte und Härte und – wo möglich – auch des Druckverformungsrestes zu nennen: „Die Dichte ist ein einfaches, aber effektives Hilfsmittel, um in vielen Fällen eine Verwechslung des Compounds auszuschließen. Sie darf sich in einem Toleranzbereich von
± 0,02 g/cm³ (FKM/FFKM ± 0,03g/m³) zum Bemusterungswert bzw. dem Mittelwert der Rezeptur bewegen.“ [1] In manchen Wareneingangsprüfungen sind auch Kurzzeitquellungen üblich. Gerade mit dieser Prüfung lassen sich schwerwiegende Materialverwechslungen schnell erkennen. Am größten ist erfahrungsgemäß das Risiko für Werkstoffverwechslung und Rezepturveränderungen bei gestanzten Dichtungen aus Plattenware.

Literatur:

[1] RICHTER, B. und BLOBNER, U.: Identitätsprüfungen: Übereinstimmungen finden, Onlineinformation: https://www.o-ring-prueflabor.de/files/fachwissen_identit__tspr__fung_03_2014.pdf

Zur Langfassung
Bild 1: Flachdichtung, in Öl gequollen  Sollwerkstoff: NBR, fälschlich eingesetzt: NR  (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 1: Flachdichtung, in Öl gequollen Sollwerkstoff: NBR, fälschlich eingesetzt: NR (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 2: Überhitzter NBR O-Ring, vorgesehen in dieser Anwendung war ein FKM-Werkstoff (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 2: Überhitzter NBR O-Ring, vorgesehen in dieser Anwendung war ein FKM-Werkstoff (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 3: Verwechslung der Werkstoffhärte: Statt einem NBR mit 90 ShA wurde ein NBR mit 70 ShA verwendet, der dann aufgrund der schwierigen Montagesituation zerstört wurde  (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Bild 3: Verwechslung der Werkstoffhärte: Statt einem NBR mit 90 ShA wurde ein NBR mit 70 ShA verwendet, der dann aufgrund der schwierigen Montagesituation zerstört wurde (Bild: O-Ring Prüflabor Richter GmbH)

Lösungspartner

O-Ring Prüflabor Richter GmbH

Zielgruppen

Instandhaltung, Qualitätssicherung, Einkauf, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Unternehmensleitung, Vertrieb