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Spezifikation + Simulation vs. Alchemie in der Gummiverarbeitung

(Bild: AdobeStock_filins)

17.06.2025 Spezifikation + Simulation vs. Alchemie in der Gummiverarbeitung

von Dr.-Ing. Michael Bosse (SimpaTec Simulation & Technology Consulting GmbH)

Ein Wirtschaftsunternehmen verlangt von seinen eigenen industriellen Produktionsprozessen höchste Transparenz und Einschätzbarkeit. Die Prozesse sollen innerhalb der bekannten Parametergrenzen Waren produzieren, die „in Spezifikation“ verkauft werden können. Prozesse und Materialien werden durch die Produktentwicklung (u.a. durch Prozess-Simulation) definiert, in der Produktion angewendet und instand gehalten, durch die Qualitätssicherung überwacht und über alle Abteilungen hinweg dokumentiert. Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess erhöht Effektivität und Gewinn. Nichts darf dem Zufall überlassen werden. Kennzahlen und Erlöse des Unternehmens basieren auf sorgfältig definierten Produktionsprozessen. Soweit die Theorie.

In der Praxis kennen wir alle die Abweichungen von diesem Idealbild, u.a. durch kom­plexe Wechselwirkungen und schwierig vorhersehbare Störgrößen. Fehler- und neuerungsbedingte Änderungen belegen im produzierenden Gewerbe bis zu 20% der täglichen Arbeitszeit. Für die Motivation und den Wunsch zum positiven Fortschritt bei der eigenen Tätigkeit sind sie ebenso schädlich wie für den gesamtwirtschaftlichen Erfolg der Firma. Aus diesem Grund hat die Suche nach den größten „Unruhestiftern“ im Prozess die höchste Priorität. Die Einschätzbarkeit und Definition von Rohstoffen und Materialien gilt als einer der wichtigsten Faktoren bei der Reduzierung von Störgrößen. Sie bedeuten Ausschuss, Produktionsstopp oder teure, nachgelagerte Fehlersuche.

Bei Elastomer-Materialien ist der Begriff „Alchemie“ zur Beschreibung des Fließ- und Vernetzungsverhaltens im Prozess nicht unüblich. Der Eindruck, die Materialien bestünden aus sowohl unbekannten wie höchst geheimen Zutaten und würden in versteckten Laboren durch uralte Traditionen von wenigen Weisen hergestellt, widerspricht in allen Punkten der geforderten Einschätzbarkeit und Transparenz der industriellen Verarbeitung. Die dringend nötige Kooperation zwischen Hersteller und Verarbeiter muss gewährleistet sein. Zu dieser Kooperation gehört zuerst ein sorgfältig abgestimmtes Werksprüfzeugnis WPZ (oder „Certificate Of Analysis“ CoA). Bei Gummimaterialien sowie deren Compounds hält die ISO 13507:2012 eine umfangreiche Liste möglicher Analysewerte bereit, die ein verarbeitendes Unternehmen mit dem Materialhersteller innerhalb bestimmter Toleranzen als Spezifikation vereinbaren sollte. Unter den insgesamt 162 dargestellten Kriterien sind pH-Wert, Dichte, Gelgehalt, Mooney-Viskosität, Ölzahl des Rußes, Phosphorgehalt, Fettsäuregehalt oder Zinkstabilitätszeit. Ein Material, das in solchen Eigenschaften für die Verarbeitung definiert, gemessen und als einschätzbarer Rohstoff „in spec.“ geliefert wird, verliert viel von seinem Schrecken.

Möglicherweise finden sich die finanziellen Aufwendungen für die besonderen Prüfungen im Kilopreis des Materials wieder, doch hier lohnt sich in den meisten Fällen eine Bilanzierung zwischen Materialtoleranzen und eigenen Aufwendungen bei der Verarbeitung – und natürlich auch im Sinne der Produkthaftung. Zusammenhänge zwischen bestimmten Chargenwerten und Produktionsstörungen sind überaus wertvoll und sollten immer mit dem Rohstofflieferanten verhandelt werden.

Die Verarbeitung von Gummicompounds durch Spritzgießen zu simulieren, ist Stand der Technik und bringt alle Vorteile der virtuellen Produktentwicklung mit sich. Die hierfür erarbeiteten Materialparameter für Fließen, Schwinden und Erstarren bleiben, im Gegensatz zur Thermoplastverarbeitung, zumeist vertraulich. Das alles ist keine Zauberei – ganz im Gegenteil ist dies die aufgeklärte, transparente und zeitgemäße Basis einer effektiven und nachhaltigen Produktion.

Dr. Ing. Michael Bosse, Technical Sales Material- und Prozess Experte, Simpatec GmbH
„Die sorgfältige Spezifikation eines Dichtungsmaterials ist die Voraussetzung für Prozesssimulation – Alchemie zu simulieren, kann teuer werden.“ Dr. Ing. Michael Bosse, Technical Sales Material- und Prozess Experte, Simpatec GmbH

Lösungspartner

SimpaTec Simulation & Technology Consulting GmbH
SimpaTec Simulation & Technology Consulting GmbH

 

Zielgruppen

Konstruktion & Entwicklung, Qualitätssicherung, Unternehmensleitung