Ihre Meinung zählt!

Derzeit läuft unsere Umfrage Kleben. Markt 2025

Ihre Meinung zählt!

Jetzt gleich teilnehmen: zur Umfrage

Exaptation: Die Innovationsstrategie, die die Klebebandindustrie nicht  ignorieren kann

(Bild: AdobeStock_ kojihirano)

17.06.2025 Exaptation: Die Innovationsstrategie, die die Klebebandindustrie nicht ignorieren kann

von Dr. Evert Smit (Afera, The European Adhesive Tape Association)

Seien wir ehrlich - unsere Branche redet viel von Innovation, Disruption, Agilität, Transformation etc. Doch wenn ich Konferenzen von Klebstoff- und Klebebandherstellern, Zulieferern und anderen Unternehmen der Branche besuche, fällt mir auf, wie wenig unsere konventionellen Innovationsansätze uns in der heutigen
VUCA-Umgebung nützen.

Ein Beispiel sind akribisch erstellte Produktfahrpläne: eine Änderung der Vorschriften – und sie sind veraltet. Strategische Fünfjahrespläne – sie verfallen schneller als ein druckempfindlicher Klebstoff unter harten UV-Bedingungen. In der Zwischenzeit werden unsere Kunden aber immer ungeduldiger mit unseren vielfältigen Etappenzielen, die zu wenig und zu spät kommen.

Vielleicht hilft uns zukünftig „Exaptation“ – obwohl ich mit dem Gedanken bzw. Ansatz kaum etwas Neues einführe. Dieser Begriff bezeichnet nur, was die Evolution seit Milliarden von Jahren brillant beherrscht. Exaptation ist die erfolgreichste Innovationsstrategie der Natur: Wenn sich etwas, das für einen bestimmten Zweck entwickelt wurde, als perfekt für etwas ganz anderes erweist. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Die Federn – sie wurden nicht für den Flug entwickelt, sondern für die Wärmeregulierung oder die Balz. Der Flug entstand erst später, als eine brillante neu- und andersartige Verwendung von etwas bereits Vorhandenem – keine Neugestaltung, nur eine neue Vorstellung von etwas Bekanntem – im heutigen Kontext etwa als Ergebnis von Re-Think. Das ist genau das, was unsere Branche braucht.

Was wäre, wenn der nächste Durchbruch – vielleicht sogar die nächste Break-Thru-
Applikation – nicht im Forschungs- und Entwicklungslabor gelingt, sondern dadurch, wie eine bereits vorhandene Technologie neu interpretiert wird? Was wäre, wenn das Klebstoffsystem für die Automobilindustrie einen unerwarteten Wert für tragbare Elek­tronik hätte? Oder wenn die für die Unterhaltungselektronik entwickelte Klebtechnologie neue Wege der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen eröffnet? Ich bin sicher und weiß, dass intelligente F&E-Teams dies bereits in Betracht gezogen haben. Aus erster Hand habe ich erfahren, das ein „medizinisches“ Klebstoffsystem in der flexiblen Elektronik einen neuen Einsatzbereich findet. Oder nehmen wir Hochleistungs-Bauklebebänder, die für die automatisierte Fertigung umgestaltet wurden. Biobasierte Komponenten, die ursprünglich für Nachhaltigkeitsaspekte entwickelt wurden, lösen plötzlich Leistungsprobleme auf eine Art und Weise, mit der niemand gerechnet hat.

„Exaptation“ ist keine Theorie – sie geschieht jetzt und permanent. Was schränkt also die Nutzung dieser Innovationsstrategie ein? Ein Grund dürfte die Strukturierung und Arbeitsweise der meisten Unternehmen – auch in der Klebebandbranche – sein, denn für „Exaptation“braucht man Neugierde statt Kontrolle und Erforschung statt Optimierung. Daraus resultieren m.E. neue Anforderungen an die Managementebenen unserer Branche. Die Frage: „Was kommt als Nächstes?“ führt nicht zum Ziel. Viel wichtiger sind die Fragen: „Was könnte dieser Klebstoff noch lösen? Was könnte diese Plattform sonst noch ermöglichen? Was könnte diese Kundenherausforderung noch über die Fähigkeiten aussagen, über die wir bereits verfügen?“

Wenn sich die Märkte schneller verändern als die Entwicklungszyklen, wird die Fähigkeit, vorhandene Technologien neu zu nutzen, zu einem großen Wettbewerbsvorteil werden. „Exaptation“ ist aber noch in einer anderen Hinsicht interessant – immer neue Lösungen erhöhen die Komplexität ihrer Nutzung – in der Klebtechnik wissen wir, wovon wir sprechen. Die veränderte Nutzung von Bekanntem schont so gesehen auch Ressourcen. Beides funktioniert in der Natur schon seit Milliarden von Jahren. Es ist an der Zeit, dass wir das nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern mit in unsere Überlegungen und Entwicklungen einbeziehen.

Dr. Evert Smit,  President AFERA
„Kann es sich die Klebebandindus­trie leisten, Exaptation zu ignorieren? Ich meine: Nein.“ Dr. Evert Smit, President AFERA

Lösungspartner

Afera, The European Adhesive Tape Association
Afera, The European Adhesive Tape Association

 

Zielgruppen

Einkauf, Instandhaltung, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung, Unternehmensleitung, Vertrieb