Plasma optimal dem Material anpassen

Plasmadüse T-SPOT bei der Vorbehandlung eines Teststreifens (Bild: Tigres GmbH)

17.09.2018 Plasma optimal dem Material anpassen

Abgegebene Leistung der Plasmadüse auf das Substrat einstellen

von Peter van Steenacker (Tigres GmbH )

An heutige Klebeverbindungen werden immer höhere Anforderungen gestellt, sodass die Aktivierungsverfahren zur Vorbereitung der Oberflächen ebenfalls mehr leisten müssen. So sollen sie für optimale Haftfestigkeitswerte des applizierten Klebstoffs mit diesen sorgen. Bei der Entwicklung der Plasmadüse T-SPOT stand die Einstellung der abgegebenen Leistung auf die jeweilige Anwendung im Vordergrund.

Am Markt werden so viele unterschiedliche Materialien verarbeitet und – mit stetig wachsender Tendenz – per Verklebung verbunden wie nie zuvor. Doch eine Verklebung stellt an die Fügepartner viel höhere Ansprüche als eine Verschraubung oder -nietung. Erst recht, wenn es sich bei den zu verbindenden Materialien um Kunststoffe handelt. Denn hier ist häufig eine Oberflächenaktivierung notwendig, um eine gute Festigkeit der Verklebung zu erzielen. Werden z.B. unpolare Werkstoffe wie Polypropylen verarbeitet, so besitzen diese keine funktionellen Gruppen, mit denen der Klebstoff wechselwirken kann. Durch eine Plasmavorbehandlung bei Atmosphärendruck werden sauerstoffhaltige Gruppen in die Polymerkette eingelagert, mit denen die applizierte Substanz reagiert und dauerhafte Bindungen eingeht. Die Abstimmung der gewählten Vorbehandlungsparameter auf das Substrat und den Klebstoff ist entscheidend für die Haftfestigkeit der Verbindung.

Sensible Werkstoffe
Doch gerade bei temperaturempfindlichen Kunststoffoberflächen kommt es immer wieder vor, dass der Energieeintrag des Plasmas in die Oberfläche zu hoch ist und dies zu einer Überbehandlung führt. Die erzielte Oberflächenenergie besitzt nach der Behandlung den geforderten Wert, jedoch fand parallel zur Aktivierung durch die zu hoch gewählte Plasmadosis ein Abbau von Molekülketten in der ersten Monolage des Kunststoffs statt. Diese kurzen Kettenstücke, auch Low Molecular Weight Oxidized Materials (LMWOM) genannt, sind nur noch schwach mit dem Material, bzw. nicht mehr kovalent mit der Matrix verbunden. Mit dem geschwächten Oberflächengefüge versagt die Verklebung bei der anschließenden Prüfung. Werden die Bruchflächen analysiert, so werden sehr häufig auf der Klebstoffrückseite Polymerreste festgestellt. Dies tritt schon bei normaler Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit ein. Werden die Bauteile darüber hinaus einer Feuchtelagerung ausgesetzt, so ist der Effekt nochmals signifikant stärker zu beobachten, da die kleinen Wassermoleküle die „geschädigten“ Bereiche unterwandern.

Um das Material schonend und im Bereich des Optimums zu behandeln, hat die Tigres GmbH den T-SPOT entwickelt. Speziell für dieses Phänomen wurde ein kompaktes und robustes Gerät kreiert, das es ermöglicht, die Leistung des Plasmas zwischen 250 und 500 W einzustellen (Bild 1). Dadurch wird dem Wunsch zahlreicher Kunden entsprochen, die Plasmadosis trotz gegebener Rahmenbedingungen des Prozesses materialabhängig regulieren zu können.

Die Plasmadosis entscheidet
Die Plasmadosis wird i.d.R. durch drei Kenngrößen bestimmt: die Einwirkdauer des Plasmas, den Arbeitsabstand zwischen Plasmadüse und Oberfläche sowie die Leistung des Generators. Die Einwirkdauer ist in Inline-Prozessen durch Takt- bzw. Durchlaufzeit üblicherweise vorgegeben. Der Abstand könnte theoretisch variiert werden, bedarf bei fest installierter Düse jedoch einen manuellen und daher meist ungewünschten Eingriff. Die dritte Stellgröße, die Leistung, kann beim T-SPOT bedarfsgerecht eingestellt werden. Wie wichtig die Variation dieses Parameters für das gewünschte Ergebnis ist, zeigt Bild 2. Ist die Leistung zu gering gewählt, so wird die erforderliche Schälkraft ebenso wenig erreicht wie bei zu hoher Einstellung. Für jede Materialpaarung gibt es eine optimale Leistungseinstellung, die in diesem Fall für eine Vorschubgeschwindigkeit der Düse von 20 m/min bei 375 W liegt.

Das Herzstück
Das neue System erhält von der übergeordneten Steuerung ein Start/Stoppsignal und wird weiterhin von dieser bei Bedarf auf die optimale Leistung für das jeweilige Produkt eingestellt. Die Ansteuerung kann analog oder auch digital erfolgen. Dem Anwender ist es mit diesem Werkzeug möglich, sowohl in statischen als auch in dynamischen Prozessen neben der Anpassung des Abstandes auch die produktspezifische Leistung einzustellen.

Die kompakte Bauform der besonders leichten Plasmadüse ermöglicht auch eine einfache Nachrüstung in eine bereits bestehende Fertigungslinie. Der Betrieb ist stationär, an Lineareinheiten oder mit dem Roboter möglich. Die Aufnahmen am Roboterkopf werden häufig so ausgeführt, dass diese zwei Werkzeuge führen – die Plasmadüse und den Applikationskopf für den Klebstoff- bzw. die Dichtmasse. Unmittelbar vor dem Auftrag des Klebstoffs wird die Vorbehandlung der Klebe- bzw. Dichtfläche durchgeführt. Auf diese Weise werden bestmögliche Bedingungen für die Haftfestigkeit geschaffen, da eine zeitsparende Applikation mit einer optimal und frisch vorbehandelten Oberfläche kombiniert wird. Zum Einsatz kommen die Systeme bei zahlreichen Anwendungen in der Elektro- und Automobilindustrie, bei weißer Ware, Profilen, Rohren, Kabeln, Verpackungen, Medizintechnik etc.

Schwächer und stärker
Der T-SPOT S2 500 hat eine Behandlungsbreite von ca. 10 mm. Für spezielle, sensitive oder kleinflächige Anwendungen ist diese Spurbreite jedoch schon zu breit. Deshalb wurde der T-SPOT S2 150 entwickelt, der lediglich auf einer Bahnbreite von 2 mm mit 150 W Leistung vorbehandelt (Bild 3). Die schmale Spurbreite des Strahls ermöglicht es, dass, z.B. bei der Firma Demmel, das aufwändige Anbringen von Maskierungen eingespart wurde. Doch auch leistungsintensivere Systeme werden vom Markt nachgefragt, gerade wenn schnelllaufende Anlagen unter rauen Produktionsbedingungen betrieben werden. Hierfür stehen die Geräte der CAT-Baureihe mit Leistungen bis 1.000 W zur Verfügung. Diese werden u.a. in der Leitungs- und Rohrindustrie eingesetzt.

Mit diesen Plasmadüsen stehen dem Markt unterschiedlich starke Systeme zur Verfügung, um für die Klebevorbehandlung einer Kunststoffoberfläche die passende Technik mit der geeigneten Plasmadosis auszuwählen.

Fakten für Konstrukteure
• Eine Verklebung stellt an die Fügepartner viel höhere Ansprüche als eine Verschraubung oder -nietung, weshalb öfters eine Vorbehandlung der Klebeflächen in Betracht zu ziehen ist

Fakten für Einkäufer
• Das System erlaubt eine einfache Nachrüstung in bereits bestehende Fertigungslinien

Fakten für Qualitätsmanager
• Bei temperaturempfindlichen Kunststoffoberflächen kann ein zu hoher Energieeintrag in die Oberfläche zu einer Überbehandlung führen – für jede Materialpaarung gibt es jedoch mit dem neuen System eine optimale Leistungseinstellung

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Ergebnisse eines Beispielversuches

Bild 2: Ermittlung des optimalen Parametersatzes über die Leistungsvariation und anschließende Schälkraftermittlung bei einer Abzugsgeschwindigkeit von 300 mm/min und einem Abziehwinkel von 90° (Bild: Tigres GmbH)

Bild 2: Ermittlung des optimalen Parametersatzes über die Leistungsvariation und anschließende Schälkraftermittlung bei einer Abzugsgeschwindigkeit von 300 mm/min und einem Abziehwinkel von 90° (Bild: Tigres GmbH)

Bild 3: Die Plasmadüse T-SPOT S2 150 wurde für Prozesse entwickelt, die lediglich eine schmale Aktivierungslinie benötigen (Bild: Tigres GmbH)

Bild 3: Die Plasmadüse T-SPOT S2 150 wurde für Prozesse entwickelt, die lediglich eine schmale Aktivierungslinie benötigen (Bild: Tigres GmbH)

Lösungspartner

Tigres GmbH
Tigres GmbH

 

Zielgruppen

Einkauf, Konstruktion & Entwicklung, Produktion & Fertigung, Qualitätssicherung