Elektronik intelligent vor Wärme schützen

Thermische Leistungsverluste von Elektroantrieben erfordern bei Isolationswerkstoffen die Kombination guter thermischer Leitfähigkeit mit ausgezeichneten elektrischen Isolationseigenschaften (Bild: FPS GmbH/Ingrid Schlipf)

18.03.2019 Elektronik intelligent vor Wärme schützen

Funktionsintegration in Fluorpolymeren

von Dr. Michael Schlipf (FPS GmbH)

Fluorpolymere sind Werkstoffe mit vielen Perspektiven in den unterschiedlichsten Anwendungbereichen. Funktionsintegrationen erweitern diese nochmals, wie das Beispiel der thermischen Leitfähigkeit in Kombination mit elektrischen Isolationseigenschaften bei diesen Werkstoffen zeigt.

Fluorpolymere eignen sich aufgrund ihres einzigartigen Eigenschaftsspektrums für Anwendungen mit besonderen Anforderungen. Hierzu zählen auch Bauteile für Elektro- und Elektronikanwendungen, bei denen es auf hohe Durchschlagfestigkeit, eine geringe Dämpfung hochfrequenter Signale im Gigahertzbereich sowie Vermeidung von Alterungseffekten und Versprödung ankommt. Sind die Bauteile Witterungseinflüssen ausgesetzt, dann sollte die Wasseraufnahme praktisch Null sein, damit sich die Eigenschaften auch im rauen Außeneinsatz nicht verschlechtern. Noch höhere Anforderungen ergeben sich bei Elektrokomponenten für E-Mobility-Anwendungen, wenn es darum geht, Wärmeentwicklung als Folge von Leistungsverlusten gezielt abzuleiten, um so Systemüberhitzungen sicher zu vermeiden. Derartig hohe Anforderungen werden auch von Fluorpolymeren nur dann erfüllt, wenn sie zusätzliche Funktionen aufweisen.

Die wachsende Wärmeentwicklung in E-Motoren beherrschen
Das Ausmaß der Wärmeentwicklung bei Elektroantrieben in Pkw lässt sich am besten über die Betrachtung der Leistungsstufen in den verschiedenen Antriebselementen darstellen: Wechselrichterverluste bei Stromentnahme aus der Batterie lassen die gespeicherten 120 kW bis zum Eingang des Leistungsreglers auf 114 kW absinken. Weitere 5 kW treten im Leistungsregler als thermischer Verlust auf, sodass der auf der Achse positionierte Elektromotor nur noch 100 kW als Antriebsleistung abgeben kann. Zieht man die Batterieladeverluste noch zusätzlich in die Betrachtung mit ein, dann stehen einer Netzentnahme von 133 kW eine max. Leistungsabgabe auf die Straße von lediglich 100 kW gegenüber (Bild 1). Deshalb sind gezielte Wärmeabführung und ausgeklügelte Kühlsysteme zur Vermeidung einer Überhitzung des Antriebssystems erforderlich. Besonders vorteilhaft ist es, wenn es gelingt, die elektrisch isolierenden Komponenten, z.B. Kabelummantelungen, Steckverbinder oder Batterie- und Gerätekomponenten, mit hoher thermischer Leitfähigkeit auszustatten. Diese Kombination an Werkstoffeigenschaften, die Integration guter thermisch leitender Eigenschaften mit ausgezeichneter elektrischer Isolation, ist eine Besonderheit innovativer Anwendungen, wie wir sie z.B. in den elektrischen Antriebssystemen von Pkw vorfinden. Bei einer Betriebsspannung von ca. 400 V sind aus Sicherheitsgründen Isolationseigenschaften bis mindestens 2.000 V gefordert – und dies auch unter rauen Allwetterbedingungen in Regen und Schnee. Wegen ihrer ausgezeichneten wasserabweisenden Eigenschaft eignen sich deshalb besonders Fluorpolymere als Basispolymer für die Integration guter thermischer Leitfähigkeit.

Mehr Funktion über geeignete Füllstoffe
Hexagonales Bornitrid (hBN, „weißer Graphit“) hat sich auf Grund seiner graphitähnlichen, planaren Molekülstruktur als der ideale Füllstoff für die Kombination elektrischer Isolationseigenschaften mit hoher thermischer Leitfähigkeit herausgestellt. Die Eigenschaften sind in Tabelle 1 aufgeführt: Die einzelnen Füllstoffpartikel erreichen mit einem Durchgangswiderstand von 1015 Ω • cm nahezu Fluorpolymereigenschaften, während die Wärmeleitfähigkeit mit 400 W/m • K ca. 1.600 Mal höher ist als die der Fluorpolymeren.

Je nach Art des Bauteils oder der Einbausituation ist eine Wärmeleitfähigkeit entweder „in der Ebene“ oder „durch die Ebene“ hindurch gefordert (Bild 2). Anwendungsbeispiele für elektrisch isolierende Folien mit guter thermischer Leitfähigkeit „in der Ebene“ sind Kondensator-Trennfolien oder Zwischenlagen in Bipolarplattenanordnungen. Thermische Leitfähigkeit „durch die Ebene“ verbessert z.B. im „Thermal Interphase Management (TIM)“ signifikant die Kühlung von Transistoren über Luftkühler durch erhöhte Wärmeableitung.

Funktionen gezielt einstellen
Die Verwendung von Folien als Isolationswerkstoff bietet ausgezeichnete Möglichkeiten für die gezielte Steuerung der Richtung thermischer Leitfähigkeit. hBN bildet aufgrund seiner flächigen Molekülstruktur bevorzugt plättchenförmige Kornformen aus. So kann durch einen Fertigungsprozess, bei dem die Polymerschmelze unter Einfluss eines Schergradienten steht, durch die Orientierung der Füllstoffpartikel im Strömungsprofil die Richtung hoher thermischer Leitfähigkeit gezielt eingestellt und auch variiert werden. Fluorpolymerfolien werden im „Chill-roll-Verfahren“ hergestellt. Dabei wird die Polymerschmelze zusammen mit den Füllstoffpartikeln zunächst durch eine vergleichsweise breite Düse extrudiert. Die noch gelartige Polymerschmelze wird unmittelbar nach dem Austritt durch die Düse über hohe Abzugsgeschwindigkeit auf die gewünschte Foliendicke reduziert. Während für die Düsenbreite Werte um 1 mm üblich sind, kann die Folie Dicken bis zu 25 µm oder weniger aufweisen. Entsprechend hoch ist der Orientierungsgrad von blättchenförmigen Füllstoffen. Nach dem Recken erfolgt das Abschrecken der Folienschmelze über eine kalte Walze – deshalb die Bezeichnung „Chill-roll-Verfahren“.

Der Grad der Orientierung der Füllstoffpartikel im Schergradient der Polymerschmelze hängt wesentlich vom Aspektverhältnis der Füllstoffpartikel ab. Darunter versteht man deren Längen- zu Dickenverhältnis. In Bild 3a und b sind typische Werte für die „in der Ebene“ und die „durch die Ebene“ hindurch einstellbaren Wärmeleitfähigkeiten aufgeführt:
• hBN-Füllstoffpartikel mit einer Dicke von 0,5 µm und einer Ausdehnung von 15 µm, also mit einem Aspektverhältnis von dreißig, orientieren sich in exzellenter Weise in der Chill-roll-Folien-Polymerschmelze und man erhält Folien, deren Wärmeleitfähigkeit in Folienebene um den Faktor fünf höher als durch die Ebene („in Folienebene“: 10 W/m2• K und „durch die Folienebene“: 2 W/m2• K).
• Setzt man hingegen agglomerierte hBN-Füllstoffpartikel mit einem Aspektverhältnis von lediglich sechs ein, dann ist der Orientierungsgrad dieser mehr „rundlichen“ Partikel deutlich niedriger. Jetzt hat die erzeugte Folie ein Wärmeleitverhältnis von „in der Ebene“ zu „durch die Ebene“ hindurch von lediglich 2: „In Folienebene“: 8 W/m2• K und „durch die Folienebene“: 4 W/m2• K .

Bei Bauteilen, die per Spritzguss gefertigt werden, also z.B. Steckverbinder, können die anisotropen Wärmeleitfähigkeitseigenschaften der Bauteile über das Strömungsprofil der Werkzeugfüllung eingestellt werden. Es gelten sinngleich die anhand der Folienherstellung aufgezeigten Zusammenhänge.

Neue Optionen für Entwickler
Nutzt man das volle Spektrum derzeit möglicher Partikeleinstellungen von hBN, dann lassen sich die Verhältnisse der Wärmeleitfähigkeiten „in der Ebene“ zu „durch die Ebene“ im Variationsbereich von 10 als maximaler Grad der Anisotropie bis zu 1, also einem isotrop wärmeleitenden Bauteil, einstellen. Als Partikeleinstellungen für hBN kommen infrage:

• Füllstoff-Flocken mit sehr hohem Aspektverhältnis
• Mischungen aus globulären und blättchenartigen Partikeln
• agglomerierte Füllstoffblättchen.

Wenngleich die systematische Untersuchung der Wärmeleitungseffekte (Bild 4) auf Basis von Polyamid 66 erfolgte, so ist doch eine Übertragung auf die in Komponenten der Elektroantriebe am häufigsten eingesetzten Fluorpolymere jederzeit möglich. Ethylentetrafluorethylen (ETFE) findet sich als Kabelisolierung wieder, während Polyvinylidenfluorid (PVDF) als Konstruktionswerkstoff im Batterieinneren eingesetzt wird. Bindemittel für Anoden- und Kathodenmaterial sowie Membranen sind typische Anwendungen dieses ebenfalls teilkristallinen Fluorthermoplasten.

Füllstoffe, die bisher zur Erhöhung der Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffen eingesetzt wurden, also Aluminiumoxid (Al2O3) oder andere mineralische Zuschlagstoffe, besitzen einen im Vergleich zu hBN sehr geringen Wärmeleitungseffekt. Die gezielte, richtungsabhängige Wärmeleitung ist mit diesen Produkten nicht möglich. Mit hexagonalem Bornitrid stehen dem Designingenieur ganz neuartige Möglichkeiten zur Verfügung, elektrisch isolierende Fluorpolymere mit ausgezeichneter thermischer Leitfähigkeit „in der gewünschten Richtung“ zu kombinieren.

Fazit
Neue Anwendungen für Fluorpolymere in Komponenten des Elektroantriebes zukünftiger Pkw-Generationen erfordern bisher kaum benötigte Eigenschaftskombinationen: Elektrische Isolatoren, die auch im rauen Außeneinsatz unter Feuchtigkeit ihre Funktion nicht verlieren, müssen nun zusätzlich wärmeleitende Eigenschaften aufweisen. Diese

Eigenschaftskombination lässt sich in idealer Weise mit hexagonalem Bornitrid als Füllstoff erzielen. Die im Vergleich zu Matrixpolymeren um den Faktor 1.600 erhöhte Wärmeleitfähigkeit dieser Füllstoffpartikel steigert die Wärmeleitfähigkeit des Compounds signifikant. Das hohe Aspektverhältnis der Füllstoffpartikel ermöglicht deren Orientierung während des Verarbeitungsprozesses und somit die gezielte, richtungsabhängige Eigenschaftseinstellung.

Fakten für Konstrukteure und Entwickler
• Neue Mischungen auf Fluorpolymerbasis können mit ihrer gezielt einstellbaren Wärmeleitfähigkeit effektiv zum Wärmemanagement in elektronischen Komponenten und Baugruppen beitragen
• Der Einsatz der Mischungen in den unterschiedlichsten Bauteilen bietet neue Designoptionen

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Tabelle 1: Eigenschaften von hexagonalem Bornitrid im Überblick (Quelle: FPS GmbH)

Tabelle 1: Eigenschaften von hexagonalem Bornitrid im Überblick (Quelle: FPS GmbH)

Bild 2: In Elektro- und Elektronikanwendungen ist es besonders vorteilhaft, wenn es gelingt, die Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffbauteilen sowohl „in der Ebene“ als auch „durch die Ebene“ hindurch, je nach Anwendung, gezielt einzustellen (Bild: FPS GmbH)

Bild 2: In Elektro- und Elektronikanwendungen ist es besonders vorteilhaft, wenn es gelingt, die Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffbauteilen sowohl „in der Ebene“ als auch „durch die Ebene“ hindurch, je nach Anwendung, gezielt einzustellen (Bild: FPS GmbH)

Abb. 3a und b: Das Verhältnis der richtungsabhängigen Wärmeleitfähigkeiten in den verschiedenen Folienrichtungen kann Werte zwischen zwei und fünf annehmen (Bild: FPS GmbH/Ingrid Schlipf)

Bild 4: Anisotropiebereiche der Wärmeleitfähigkeit in der Übersicht: Mit hBN-Füllstoff-Flocken mit sehr hohem Aspektverhältnis, mit Mischungen aus globulären und blättchenartigen Partikeln sowie mit agglomerierten Füllstoffblättchen lassen sich unterschiedliche Verhältnisse der Wärmeleitfähigkeit „in der Ebene“ und „durch die Ebene“ darstellen (Bild: FPS GmbH/Ingrid Schlipf)

Bild 4: Anisotropiebereiche der Wärmeleitfähigkeit in der Übersicht: Mit hBN-Füllstoff-Flocken mit sehr hohem Aspektverhältnis, mit Mischungen aus globulären und blättchenartigen Partikeln sowie mit agglomerierten Füllstoffblättchen lassen sich unterschiedliche Verhältnisse der Wärmeleitfähigkeit „in der Ebene“ und „durch die Ebene“ darstellen (Bild: FPS GmbH/Ingrid Schlipf)

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Konstruktion & Entwicklung